Der Weg zurück ins Leben-Podcast – von und mit Christina Bolte.
Heute habe ich wieder eine Buchrezension für Euch, und zwar geht es mal wieder um den Jakobsweg.
* Achtsam morden am Rande der Welt
von Karsten Dusse.
Das Buch hat den Untertitel: Finde dich selbst. Bevor es ein anderer tut.
Genau der hat mich angesprochen und war der Grund, dass ich mir das Buch gekauft habe.
Und zwar hatte ich die Hörbuch-Variante, “achtsam gelesen” vom Autor Karsten Dusse.
Sie enthält 6 Audio-CDs mit einer Gesamtspielzeit von 6 Std. 17 Minuten.
Viel Spaß beim Zuhören:
Worum geht es in dem Buch?
Zunächst mal vorab: Das Buch ist das dritte einer Reihe von Titeln, die alle die Begriffe “Achtsam morden” enthalten.
Zuvor hatte ich den * ersten Band “Achtsam morden” auch noch gelesen. Das war auch sinnvoll, weil sich dieser dritte Band ein paar Mal auf die anderen beiden bezieht. Sonst hätte ich es ein wenig kompliziert gefunden, das Beziehungsgeflecht zwischen einigen Akteuren zu verstehen.
Die Hauptperson und der Ich-Erzähler des Buches, Björn Diemel, ist wie der Autor selbst Rechtsanwalt. Allerdings mit einer anderen Spezialisierung.
Genau wie auch das erste Buch ist auch dieses ein Achtsamkeits-gefärbter Krimi. Was paradox klingt, ist es auch: Denn das Buch kombiniert Vokabeln und Jargon aus dem einen Genre mit solchen aus dem zweiten Genre. Die Geschichte hat einen spannenden Plot, bei dem man sich fragt, wie die Hauptperson aus der Nummer wohl wieder herauskommt. Daneben gibt es quasi nebenher einen kleinen Achtsamkeitskurs und Pilgerratgeber inkl. tiefgreifender Fragen und praktischer Anwendungsbeispiele. Anhand deren man also auch direkt loslegen könnte mit der eigenen Achtsamkeit, wenn man nicht so vom Kriminalroman gefesselt wäre.
So entstehen manchmal humorvolle, manchmal zynisch-selbstironische und manchmal auch absurde bis krankhafte Situationen mit entsprechender Situationskomik, zum Beispiel wenn die Halbwelt-Freunde der Hauptperson von gesellschaftlicher Verantwortung sprechen. Außerdem lebt der Roman von Wortspielen und absurden Vergleichen. So vergleicht der Autor bzw. Hauptdarsteller seine Achtsamkeits-Therapie mit einer Zahnreinigung für die Seele: Wenn man mit der Zunge die Beläge auf seinen Zähnen bzw. der Seele spüren würde, sei es Zeit für eine neue Sitzung…
Eine Geschichte in mehreren Ebenen
Am Anfang der Erzählung – allerdings auch immer mal wieder zwischendurch – erzählt der Hauptdarsteller von seinem beruflichen wie privaten Lebensalltag. Sowohl das eine wie auch das andere hat manchmal einen Hang zum Absurden. Jedenfalls erfährt man dadurch ganz eindrücklich, warum sein Achtsamkeits-Therapeut, Joschka Breitner, den Protagonisten, Björn Diemel, zur Abwendung einer drohenden Midlife-Crisis auf den Jakobsweg schickt. Spannend ist auch (und auch das könnte dem oder der einen oder anderen bekannt vorkommen) wie sich dessen Einschätzung von Jakobsweg-Pilgern von zunächst “Ich-Doch-Nicht – der Jakobsweg ist doch was für Spinner” dahingehend wandelt, dass er sich dann doch selbst auf den Weg macht. Und so beginnt Björn Diemel seine
äußere Reise auf dem Jakobsweg.
Wer schon mal gepilgert ist, dem wird die eine oder andere Episode bekannt vorkommen. Der Weg an sich steht nicht wirklich im Mittelpunkt der Erzählung, sondern ist in Summe eher kurz beschrieben bzw. nur punktuell, an den Stellen, an denen es für die weitere Handlung relevant ist. Allerdings war für mich auch etwas Neues dabei: Die Pilgerpost in St. Jean Pied de Port kannte ich noch nicht, oder es ist ein schriftstellerisches Stilmittel…
Diese äußere Reise wird immer mal wieder unterbrochen, einerseits durch kürzere Episoden von seinem Alltag daheim. Meist erfolgt dies in Form von Rückblicken (das kennt wohl auch jeder Pilger mit seinen persönlichen Rückblicken), und andererseits durch ein paar Todesfälle. Dazu will ich aber nicht mehr verraten, sonst wäre es ein Spoiler…
Die innere Reise des Protagonisten
…beginnt gleichzeitig mit der äußeren Reise: Durch die Fragen und Anleitung seines Therapeuten wie auch durch seine Pilgerbekanntschaften taucht der Protagonist ganz tief in seine seelischen Abgründe. Gleich sein erster Wegbegleiter hat eine Krebserkrankung und unternimmt den Camino mehr oder weniger als letzte Reise.
Diese innere Reise wird eben begleitet durch die Zitate und Fragen aus dem Buch des Therapeuten. Am Ende seiner äußeren Reise hat der Protagonist die Antwort auf seine drei persönlichen Fragen gefunden, die er sich zu bzw. vor Beginn seines Weges gestellt hatte…
Wer sich hier die Zeit nimmt, über diese Fragen nachzudenken, egal ob auf dem Jakobsweg oder woanders, findet hier ziemlich viel Tiefgang und “food for thought” fürs eigene Leben.
Zu guterletzt gibt es – wenn man von den Todesfällen mal absieht – auch noch die ganz praktische Ebene der Achtsamkeit. Die ist natürlich auch sehr eng mit der inneren Reise verknüpft: Hier kann man als Leser oder Leserin einige konkrete und praktisch umsetzbaren Tipps fürs seelische Wohlbefinden mitnehmen. Auch dies ist völlig unabhängig vom Pilgern, z. B. der Umgang mit Telefonen im Stil von “Digital Detox”.
Beruhigender und humorvoller Fakt ist, dass der Hauptdarsteller es in manchen absurden Situationen schafft, seine Achtsamkeitskenntnisse zur Anwendung zu bringen. Gleichzeitig schafft er es in anderen ganz banalen Situationen auch wieder nicht. So urteilt er – völlig das achtsame Prinzip der Bewertungsfreiheit außer Acht lassend – über den neuen Freund seiner Exfrau: “Heiko ist und bleibt ein Idiot.” Das wiederum lässt ihn ganz menschlich erscheinen 😉
Gut gefallen hat mir:
- die kurzen Achtsamkeits-Hinweise / Zitate des fiktiven Achtsamkeits-Coach Joschka Breitner am Anfang jedes Kapitels (ich liebe Zitate…)
Dieses * Achtsam morden – Das Übungsbuch nach der Joschka-Breitner-Methode gibt es übrigens auch noch als separates Buch….
Allerdings muss ich dazu sagen, dass ich dies nicht (noch) gelesen habe und verlinke es hier nur der Vollständigkeit halber. - kurze Kapitel und gut zu lesende bildhafte Sprache – man kann sich die Charaktere direkt und sehr lebendig vorstellen
- eine (zumindest für mich) überraschende Rettung in der Not am Ende
Nicht so gut gefallen hat mir:
- die bildhafte Sprache – manche Dinge WILL man sich gar nicht so lebendig vorstellen.
- der schwarze Humor – der war mir tatsächlich gelegentlich etwas zu schwarz.
Zusammenfassend:
Das Buch ist eine schöne Lektüre für kalte Winterabende. Es ist eine erfrischend humorvolle und spannende Geschichte mit für mich unerwartet viel Tiefgang. Wenngleich sie manchmal gespickt ist mit ein wenig Zynismus (oder wem es besser gefällt: schwarzer Humor). Großartig geschrieben und in der Hörbuch-Variante auch unterhaltsam und mit Stimmvielfalt gelesen.
Als Krimifan fühlte ich mich unterhalten, als Pilger konnte ich – ganz unachtsam – in meinen eigenen Erinnerungen schwelgen und als Achtsamkeitsfan fühlte ich mich sehr inspiriert.
Drei Genres in einem Buch – das muss man erstmal schaffen!
Wenn Du natürlich nichts von den Dreien bist, weiß ich auch nicht, ob das so das richtige für Dich ist….
Hier ist jedenfalls der Link:
* Achtsam morden am Rande der Welt: Roman (Achtsam morden-Reihe, Band 3) von Karsten Dusse
Viel Spass beim Lesen!